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Hier finden Sie regelmäßig Beiträge zum Thema Krebs und Krebstherapien.

Eine Krebserkrankung kommt meist völlig aus dem Nichts und trifft die meisten Menschen unerwartet und unvorbereitet.

Immer, wenn uns etwas Schlimmes widerfährt, suchen wir nach einer Erklärung. Dinge verstehen und ursächliche Zusammenhänge erklären zu können, erleichtert die Handhabbarkeit. Es gibt uns das Gefühl, die Situation besser kontrollieren und bewältigen zu können. So stellt sich fast jeder, der von einer Krebserkrankung betroffen ist, die Frage nach dem Warum. Hier spielt oft auch unsere Annahme, dass alles im Leben einen Sinn ergeben und dass es gerecht zu gehen müsse, eine Rolle.

Doch wie richtig ist diese Annahme? Ist das Leben immer fair? Gibt es für alles einen Grund?

Mit der Frage „Warum gerade ich?“ versuchen wir, die Ordnung einer verstehbaren Welt wiederherzustellen und wähnen uns im sicheren Glauben, wenn wir nur die Ursache finden, könnten wir solche Ereignisse in der Zukunft vermeiden. So wird in einer Situation, der man scheinbar hilflos ausgeliefert ist, die Selbstwirksamkeit, d.h. das Gefühl, selbst etwas bewirken zu können, wieder aktiviert. In diesem Prozess entstehen subjektive Krankheitstheorien, die in der Krankheitsbewältigung aus psychologischer Sicht eine wichtige Rolle spielen, auch wenn sie meist nicht mit wissenschaftlichen Theorien übereinstimmen.

Viele Erkrankte vermuten negativen Stress und psychische Ursachen als Hintergrund ihrer Krebsdiagnose. Dabei gibt es auch wissenschaftlicher Sicht keine Evidenz für eine direkte Abhängigkeit von Krebsentstehung und psychischen Faktoren. Ebenfalls als haltlos hat sich die Theorie einer sog. Krebspersönlichkeit „Typus Carcinomatosus“ erwiesen. Hierbei ging man davon aus, dass Personen, die eher nachgiebig, überangepasst, depressiv, harmoniebedürftig sind, eher an Krebs erkranken (1). Problematisch an diesen psychosomatischen Krankheitstheorien, die die Krankheitsursache oft in der eigenen Persönlichkeit suchen, ist, dass sie zumeist mit Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen einhergehen. Für Personen, die der Überzeugung sind, dass im Leben jeder bekommt, was er verdient, ist nicht vorstellbar, dass eine Krebserkrankung ein zufälliger Schicksalsschlag sein kann. Die Annahme, dass Menschen, denen etwas Traumatisches passiert ist, möglicherweise selbst zu diesem Ereignis beigetragen haben, wird  als Viktimisierung bezeichnet und ist auch bei vielen Traumaopfern (Missbrauch, Gewalt) zu finden. Der Glaube, dass die Krankheit die Strafe für eine persönliche Schuld ist, scheint für manche Patienten leichter zu ertragen, als die völlige Sinnlosigkeit dieses Ereignisses. Problematisch für die Krankheitsverarbeitung ist hierbei, dass Patienten, die die Schuld für die Erkrankung bei sich suchen, oftmals auch emotional stärker belastet, depressiver und weniger hoffnungsvoll sind (3, 4) und sich dies negativ auf den Krankheitsverlauf auswirken kann.

Psychosomatische Krankheitstheorien können aber auch positive Effekte auf die Krankheitsverarbeitung und somit auf den Krankheitsverlauf haben. Die Vorstellung, selbst auf das Krankheitsgeschehen Einfluss nehmen zu können, nutzen manche Patienten, um eine Art Lebensbilanz zu ziehen, neue Prioritäten zu setzen, authentischer zu leben und mehr auf ihre Bedürfnisse zu achten. Damit einher geht dann oftmals eine Änderung des Lebensstils, hin zu  gesünderer Ernährung, körperlicher Bewegung und besserem Stressmanagement. Das Gefühl der subjektiven Kontrolle vermindert die emotionale Belastung und sorgt damit für ein besseres psychisches Befinden. Allerdings kann hier auch die Vulnerabilität  höher sein, wenn es zu einem Krankheitsrezidiv kommt. Denn dann können erneut Schuldgefühle eine Rolle spielen und die Annahme „es nicht genug versucht zu haben“.

Sinnfindung stellt eine wichtige Ressource in der Krankheitsbewältigung dar. Neben einer emotionalen Stabilisierung können sich dadurch persönlichen Überzeugungen oder Grundhaltungen ändern. Subjektive Krankheitstheorien werden von Erkrankten meist nicht direkt angesprochen, sondern müssen auf der Basis einer tragfähigen therapeutischen Beziehung erfragt werden. Auch wenn diese nicht mit wissenschaftlichen Erkenntnissen übereinstimmen, sollten sie zunächst als Bemühen um Krankheitsbewältigung und Verarbeitung respektiert und akzeptiert und nur nach und nach vorsichtig hinterfragt werden. Ziel ist dabei die emotionale Entlastung und Unterstützung einer aktiven Krankheitsbewältigung und Akzeptanz.

Quellen

1) Schwarz, R. (2004). Die „Krebspersönlichkeit“ – Mythen und Forschungsresultate. Psychoneuro, 30 (4), 201-209.

2) Brown KF, Rumgay H, Dunlop C et al. The fraction oft cancer attributable to modificate risks in England. Wales, Scotland, Northern Ireland, and der United Kingdam in 2015. Br J Cancer 2018; 118: 1130-1141

3) Constanzo et al. Cancer attributations, distress, and health practices among gynecologic cancer survivors. Psychsom Med 2005; 67: 972-980.

4) Faller H. Subjektive Krankheitstheorien: Determinanten oder Epiphänomene der Krankheitsverarbeitung? Zschr Psychsom Med 1993; 39: 356-374

Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. Du allein wirst Sterne haben, die lachen können.“ Antoine de Saint-Exupéry aus „Der Kleine Prinz“

Auch wenn in unserer Gesellschaft die Themen Tod, Sterben und Trauer weitgehend aus unserem Alltag verbannt sind, bleibt die Konfrontation mit dem Tod über kurz oder lang niemandem von uns erspart. Trauer ist die emotionale Reaktion auf den Tod eines geliebten Menschen. Die Hinterbliebenen stehen vor der Herausforderung, diese Trauer zu bewältigen, mit all ihren emotionalen Ausprägungen (Schock, Schmerz, Verlusterfahrung). Dabei geht es um einen sehr individuellen Prozess, der keinem festen Schema folgt. Dennoch wurden über die Jahre verschiedene Trauermodelle beschrieben, die versuchen, die Phasen der Trauerverarbeitung zusammenzufassen. Ein sehr bekanntes Trauermodell ist das von Verena Kast.

Phasen der Trauer nach Kast:

PhasePhasePhasePhase
Schock Nicht-wahr – haben- wollen VerdrängungAufbrechende Emotionen Wut Trauer SchuldgefühleSuchen & sich trennen Erinnern an den Verstorbenen LoslassenNeuer Selbst – und Weltbezug Akzeptanz des Verlustes Zukunftsplanung

Bei den Symptomen der Trauer unterscheiden wir zwischen emotionaler Ebene, Verhaltensebene, körperlicher Ebene und Gedankenebene (1):

Emotionale EbeneTraurigkeit, Depression, Angst, Wut, Schuldgefühle
Verhaltens -EbeneAgitation, Nervosität, Müdigkeit, Apathie, Hysterie, Weinen, Rückzug, Isolation
Körperliche EbeneAppetit- und Schlaflosigkeit, Ess – und Verdauungsstörungen, Erschöpfung, erhöhte Krankheitsanfälligkeit
Gedanken -EbeneSelbstvorwürfe, Verleugnung, Gedankenleere  oder –rasen, Glaubenszweifel

Es ist individuell verschieden, wie Hinterbliebene die Trauer bewältigen und hängt von der jeweiligen Persönlichkeit, der Lebenssituation, dem sozialen Umfeld und dem eigenen Bezug zum Tod ab. Man spricht nicht umsonst von „Trauerarbeit“, denn es ist tatsächlich kein einfacher Weg, die Bindung zu dem Verstorbenen zu lösen und mit dem eigenen Leben weiterzumachen. Dies fordert Kraft und Anstrengung.

Viele Trauermodelle und Theorien konzentrieren sich auf Maßnahmen für die Hinterbliebenen, die ihnen helfen sollen, den Verlust zu überwinden.

Der Psychologe William Worden (2) spricht von vier Traueraufgaben, die der Trauernde zu bewältigen hat:

Die erste Aufgabe besteht darin, den Verlust anzunehmen. Dafür kann es beispielsweise hilfreich sein, den Verstorbenen vor der Bestattung noch einmal zu sehen und sich zu verabschieden. Allerdings ist dies in unserer heutigen, sehr mobilen Gesellschaft nicht immer möglich.

Die zweite Aufgabe besteht darin, den Schmerz des Verlustes zuzulassen und zu spüren. Auch dies geschieht individuell sehr verschieden. Faktoren, die dabei eine Rolle spiele können, sind Intro – oder Extrovertiertheit, kulturelle oder geschlechterspezifische Prägung.

Die dritte Aufgabe besteht darin, die Rolle des Verstorbenen zu ersetzen (z.B. Aufgaben zu übernehmen, die er früher innehatte). Dies geschieht manchmal freiwillig und manchmal aus der Notwendigkeit und kann auch Wachstumschancen für die Hinterbliebenen bieten.

Die vierte Aufgabe besteht darin, des Verstorbenen zu gedenken und trotzdem mit dem Leben weiterzumachen (z. B. neue Beziehungen einzugehen).

Ein alternativer Ansatz ist die Verstorbenen-fokussierte Trauerbewältigung (3). Dabei wird die Aufmerksamkeit in der Trauerbewältigung auf den Verstorbenen gerichtet und die Handlungen werden danach ausgerichtet, was dem oder der Verstorbenen gefallen würde, wenn er oder sie noch am Leben wäre. Der Trauernde verschiebt seinen Fokus vom eigenen, leidenden Selbst zum Verstorbenen, der unvollendete Rollen oder Aufgaben zurückgelassen hat. Dies kann insofern funktionieren, dass der Trauernde den Verlust besser bewältigen kann, indem er nicht ausschließlich auf sich fokussiert ist.

Normale versus komplizierte Trauer

Die Zeit unmittelbar nach einem Verlust wird als akute Trauer bezeichnet. Akute Trauerreaktionen umfassen Schock, Fassungslosigkeit, Wut, Angst etc. und können ca. 6 Wochen andauern. Allerdings ist dieser Zeitrahmen individuell verschieden und hängt auch von den Umständen des Todes ab (erwartet oder unerwartet, gewaltsam, Suizid etc.). Auf die Zeit der akuten Trauer folgt die Zeit der integrierten Trauer. Der Trauernde ist in der Lage, sein Leben fortzusetzen, ohne dass die Trauer ihn daran hindert. Von komplizierter Trauer spricht man, wenn der Hinterbliebene es langfristig nicht schafft, zum Alltag zurückzukehren, weil die akuten Trauerreaktionen weiterhin bestehen (4).

Risikofaktoren für komplizierte Trauer sind:

  • Vorgeschichte mit Depressionen oder Angststörungen
  • Erfahrungen mit mehrfachem Verlust oder Trauma
  • Vorgeschichte einer früheren unsicheren Bindung
  • Außergewöhnlich enge Beziehung zum Verstorbenen (z. B. Verlust eines Kindes)
  • Übermäßige Schuldgefühle (z. B. bei Suizid)

Religion und Trauer

Religion kann bei einem Verlust Trost spenden, andererseits aber auch die Trauer erschweren. Im Christentum und auch in anderen Religionen basiert die Beziehung zu Gott auf den Erwartungen, die die Gläubigen haben. Einige Ansätze vergleichen diese Beziehung mit der sicheren Bindung, die ein Kind zu seinen Eltern hat (5). So könnte eine Frage lauten, warum ein liebender Gott solch einen Verlust zulassen kann. Andere Christen sehen den Verlust als eine göttliche Bestrafung (ein Risikofaktor für komplizierte Trauer). Christen mit einer sicheren Bindung an ihren (allwissenden, gütigen) Gott hingegen, können den Verlust als etwas sehen, was ihren Glauben stärken wird, mit der Überzeugung, von diesem Gott gehalten zu sein. Sie empfinden den Glauben als Trost.

Andere Religionen dagegen bringen den Verlust nicht mit Gott in Verbindung, sondern mit dem Verstorbenen selbst. So lehren Buddhismus und Hinduismus beispielsweise, sich frühzeitig mit Tod und Sterben auseinanderzusetzen, um Schmerz und Leid in der Zukunft zu vermeiden. In beiden Religionen besteht der Glaube an Wiedergeburt und daran, dass gute Handlungen im Leben zu einer guten Wiedergeburt und schlechte Handlungen zu einer schlechten Wiedergeburt führen (6,7).

Je nach gesellschaftlicher Prägung gibt es unterschiedliche „Trauernormen“, die festlegen, „wie jemand zu trauern hat“. Diese Normen beziehen sich z. B. auf den Trauerausdruck (still oder offen), die Trauerdauer oder wann und in welcher Situation Trauer „angemessen“ ist (1). Während in der westlichen Kultur Trauer eher im Stillen stattfindet, wird der Tod in anderen Kulturen gefeiert (8).

Unsere heutige westliche Gesellschaft ist vor allem auf Leistung, Glück und Erfolg ausgerichtet. Da passt Trauer nicht ins Bild und ist daher eher zu einem Tabuthema geworden. Sterben findet immer weniger zu Hause statt, sondern in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Hospizen – der Tod wird „ausgelagert“. Es wird sich bemüht, Kinder vom Thema Tod fernzuhalten. So verlernen wir den Umgang mit diesem Thema und erleben es als außerordentliche Katastrophe, wenn jemand verstirbt und nicht mehr wie früher als etwas, das zum Leben dazugehört. Auch wenn es sich dabei um unangenehme Themen handelt, sollten Sterben, Tod und Trauer wieder mehr Platz in der Gesellschaft und im Leben eingeräumt werden. Trauernde sollten nicht das Gefühl vermittelt bekommen, „unnormal“ zu sein, weil sie Zeit brauchen, um ihren Verlust zu bewältigen.

Hilfsangebote für Trauernde

Nicht jeder Trauernde benötigt professionelle oder therapeutische Unterstützung. Oft genügt ein stabiles und geduldiges Umfeld. Wenn dies nicht vorhanden oder nicht ausreichend ist, gibt es in fast jedem Ort niedrigschwellige Angebote wie Trauercafés, Trauergruppen oder Einzelbegleitung. Oft wird dies von ambulanten Hospizdiensten oder ausgebildeten Trauerbegleitern angeboten. Mittlerweile ist es auch möglich, auf verschiedene Online- Trauerbegleitungsangebote zurückzugreifen. In besonders schweren Fällen komplizierter Trauer ist es jedoch ratsam, sich psychotherapeutische Unterstützung zu suchen. Hierbei kann der Hausarzt oder die Krankenkasse erster Ansprechpartner sein und ggf. weitervermitteln.

Hilfereiche Links zur Thematik finden Sie ebenfalls auf dieser Seite.

Quellen:

  1. Blank, Daniela. In: “Mir hat niemand zu sagen, wie ich trauern soll!”: Eine Diskursanalyse der Trauer im Kontext des DSM-5. :1-7; Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2023., Datenbank: Springer Nature eBooks
  2. Worden, J. W. (2018). Grief counseling and grief therapy: A handbook for the mental health practitioner. Springer.
  3. Eyetsemitan, F. E. (2023). Verstorbenen – fokussierte Trauerbewältigung. Springer.
  4. Dutton, Y. C., & Zisook, S. (2005). Adaptation to bereavement. Death Studies, 29(10), 877–903.
  5. Bowlby, J. (1980). Attachment and loss: Volume III: Loss, sadness and depression. In Attachment and loss: Volume III: Loss, sadness and depression (S. 1–462). The Hogarth Press and the Institute of Psycho-Analysis.Return to ref 1980 in article
  6. Britannica.com. (n.d.). The four Nobel truths: Buddhist philosophy. https://www.britannica.com/topic/Four-Noble-Truths.
  7. Lipner, J. (2012). Hindus: Their religious beliefs and practices. Routledge.
  8. Wehner, L. (Hrsg.). (2014). Empathische Trauerarbeit: Vielfalt der professionellen Trauerarbeit in der Praxis. Wien: Springer.

In meinem letzten Blogartikel ging es um das Thema Trauer. In diesem Zusammenhang habe ich bereits angesprochen, dass Krankheit, Tod und Trauer Themen sind, die in unserer westlichen Gesellschaft oft verdrängt bzw. tabuisiert werden. Heute möchte ich, auch aus für mich persönlich gegebenem Anlass, näher darauf eingehen, wie wir als professionelle Behandler – und damit schließe ich alle, in die Betreuung von Patienten involvierten Berufsgruppen (Pflege, Ärzte, Psychologen, Therapeuten) ein – mit unseren eigenen Emotionen umgehen, wenn wir jeden Tag mit diesen Themen konfrontiert werden. Wie schafft man es, die hohe psychische Belastung auszuhalten, ohne selbst krank zu werden? Welche Auswirkungen hat diese Arbeit auf das eigene Leben? Und was bedeutet dieser Beruf für unser privates Umfeld?

Bereits 2009 befassten sich Müller et al. in einer wissenschaftlichen Studie „Wie viel Tod verträgt das Team?“ (1) mit der Annahme, dass Mitarbeiter von Palliativstationen und Hospizen durch die ständige Konfrontation mit unheilbar kranken Patienten und dem Tod, einer sehr hohen psychischen Belastung ausgesetzt sind. Im Rahmen dieser Studie wurden sowohl belastende Faktoren, als auch schützende Faktoren im Umgang mit dieser Belastung untersucht. Dafür wurden bundesweit Beschäftigte von Palliativstationen in Deutschland befragt. Als belastende Faktoren wurden ein nicht erfüllter Anspruch in der Palliativmedizin angegeben, sowie die Beziehung zum Patienten, wenn sie durch besondere Nähe gekennzeichnet war.  Als signifikant belastend wurden mehrere dicht aufeinander folgende Todesfälle empfunden, dabei lag die kritische Zahl von Todesfällen in dieser Studie bei 4,4 pro Woche.  Der wichtigste Schutzfaktor in Zusammenhang mit dem Umgang mit dem Tod war das Team, gefolgt von Humor und Privatleben (2).

Eingangs erwähnte ich, dass es für mich persönlich gerade aktuell ist, mich mit diesem Thema zu beschäftigen. Ich bin inzwischen seit 13 Jahren als Psychoonkologin tätig und dies überwiegend auf onkologischen Stationen und auf Palliativstationen. Über die Jahre musste auch ich meine eigenen Bewältigungsstrategien entwickeln, um mit dieser ständigen Konfrontation mit Krankheit und Tod umgehen zu können. Dabei kann ich heute sagen, dass ich meinen Beruf sehr liebe und gegen keinen anderen tauschen möchte. Natürlich gibt es traurige und schwere Zeiten. Selten sind die für mich jedoch wirklich im Versterben eines Patienten begründet, wenn ich z. B. jemand über eine lange Zeit begleitet habe und eine nahe Beziehung entstanden ist, sondern eher in den organisatorischen Umständen, die in der Klinik oft eine Rolle spielen (Zeitdruck, mangelnde Kommunikation, etc.).

Die Begleitung von unheilbar kranken bzw. sterbenden Menschen bedeutet, auch ständig mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert zu werden.  Um Patienten in diesem Prozess gut begleiten zu können, ist, neben den notwendigen fachlichen Kompetenzen, eine intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod und den eigenen Ängsten unabdingbar. Natürlich wissen wir alle, dass unser Leben endlich ist. Nur setzen wir uns für gewöhnlich nicht damit auseinander, sondern schieben das Thema weit weg und erliegen der Illusion, dass Krankheit und Tod die „anderen“ treffen, aber doch nicht uns. Deshalb fällt es vielen Menschen so schwer, offen über dieses Thema zu sprechen. Man verbindet diffuse, schwer auszuhaltende Ängste mit dem Thema Tod.  Seit ich diesen Beruf ausübe, fällt mir immer wieder auf, wie selbstverständlich im Arbeitskontext/ im Team mit dem Versterben der Patienten umgegangen wird und wie schwer sich dagegen mein Umfeld (Familie, Freunde) mit meiner Arbeit tun und es kaum aushalten, wenn ich darüber erzähle. Kommentare wie: „das könnte ich nicht“ oder „wie hältst du das aus“ sind an der Tagesordnung. Dabei empfinde ich es selbst keineswegs so schwer, wie die jeweiligen Personen sich das offenbar vorstellen.  Gerade ist ein wesentlicher Punkt am Scheitern einer Beziehung gewesen, dass mein Partner es nicht „ausgehalten“ hat, wenn ich von meiner Arbeit erzählt habe. So lebt man ein bisschen „in zwei Welten“. Für uns, die wir in der Klinik jeden Tag Patienten begleiten, ist der Tod Normalität geworden. Das bedeutet nicht, dass wir emotionslos, routiniert damit umgehen. Auch wir sind traurig, wenn Patienten versterben, wenn Angehörige ihre geliebten Menschen verlieren. Wir haben Empathie und Mitgefühl. Aber es gibt eben diesen Unterschied zwischen „Mitgefühl“ und „Mitleid“. Und das ist ein wesentlicher Punkt in dieser Arbeit, um selbst psychisch gesund zu bleiben – empathisch und mitfühlend zu sein, ohne selbst zu leiden. Natürlich funktioniert das nicht immer. Besonders, weil ja auch der Klinikalltag mit vielen weiteren stressenden Faktoren hinzukommt. Den Schutzfaktor „Team“ aus der oben erwähnten Studie, finde ich ebenfalls sehr wichtig. Gerade weil es so schwierig ist, das täglich Erlebte mit Außenstehenden zu teilen, sind die Menschen so wichtig und stabilisierend, die den Alltag auf Station ebenso erleben und mit denen man sich ohne viele Worte verständigen kann. Zu dem Zeitpunkt als ich dies schreibe, sind innerhalb der letzten zwei Wochen acht Patienten bei uns auf Station verstorben. Das ist auch für uns, die wir „daran gewöhnt“ sind, viel und man merkt dem ein oder anderen an, dass es zehrt. Und besonders in solchen Zeiten ist ein in sich gefestigtes Team ein zuverlässiger Halt. Von außen betrachtet mag auch der Schutzfaktor „Humor“ in diesem Zusammenhang irritierend klingen. Aber entgegen der vielen Annahmen, dass die Stimmung bei uns wohl meist gedrückt und schwer sein müsse, ist das Gegenteil der Fall. Wir lachen viel, sowohl mit unseren Patienten als auch gemeinsam im Team. Humor macht viele schwierige Situationen erträglich.

Wie im vorherigen Artikel zum Thema Trauer bereits beschrieben, findet Sterben auch immer weniger zu Hause statt, sondern immer häufiger in Institutionen (Klinik, Pflegeheim, Hospiz). Wir haben den Tod „ausgelagert“. Das ist keine gute Entwicklung. Denn ausgelagert oder nicht – der Tod gehört zum Leben. Und wir kommen nicht umhin, ihn zu akzeptieren – nicht als Angstgegner, sondern als einen Freund, der uns auch immer wieder deutlich macht, wie wertvoll das Leben ist. Und genau das ist ein wesentlicher Teil meiner persönlichen „Bewältigungsstrategie“. Ich empfinde die Tatsache, diese Arbeit machen zu dürfen, als Geschenk. Den Tod so häufig zu erleben, macht mir das Leben nicht schwer. Im Gegenteil – es zeigt mir, wie wertvoll jeder Tag ist, an dem ich gesund bin und so leben darf, wie ich es möchte. Ich habe über die Jahre so viel von meinen Patienten lernen dürfen, darüber, was wirklich wichtig ist und worauf es ankommt im Leben. Und das versuche ich für mich umzusetzen, mit ganz viel Lebensfreude.

Quellen

Müller, Monika; Pfister, David; Markett, Sebastian; Jaspers, Birgit 2009: Wie viel Tod verträgt das Team? Eine bundesweite Befragung der Palliativstationen in Deutschland. In: Der Schmerz, H. 6, S. 600 – 608.

              

https://www.dgpalliativmedizin.de/images/stories/Oberkircher_Salutogenese_im_Palliative_Care_Team_26_09_11.pdf

Eine Krebserkrankung wird meist als eine existenzielle Krise erlebt. Nicht von ungefähr, denn Krebs gehört zu den häufigsten Erkrankungen und ist nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste, krankheitsbedingte Todesursache. Mit der Erkrankung und der Behandlung sind zahlreiche belastende Faktoren verknüpft. Neben körperlichen Beeinträchtigungen gehören dazu auch emotionale Belastungen und Reaktionen, wie Trauer, Wut, Angst, Depression oder Hilflosigkeit.

„Krankheitsverarbeitung ist kein gradlinig verlaufender, sondern ein sehr komplexer, individueller Prozess. Krankheitsakzeptanz ist demzufolge das Anerkennen und Akzeptieren der chronischen Erkrankung und des Einflusses, den die Krankheit auf die Person hat“ (1).

Die Krankheitsverarbeitung bei einer Krebserkrankung verläuft in mehreren Phasen, die, je nach Art der Erkrankung und der psychosozialen Belastung, individuell sehr unterschiedlich sein können. Daher gibt es auch nicht „die eine“ richtige Strategie der Krankheitsbewältigung.

Theoretische Krankheitsphasen bei Krebs (2):

Phase der DiagnosefindungAngst, Verunsicherung
Wartezeiten
Viele Untersuchungen
Gefühlsschwankungen (Hoffnung vs. Angst)
Therapieentscheidungen
Primärbehandlung im KrankenhausKombination verschiedener Therapien
Nebenwirkungen
Angst, Distress
Kurze Liegezeit, kaum Zeit für psychoonkologische Interventionen
AHB oder RehabilitationLängerfristige psychoonkologische Angebote können in Anspruch genommen werden
Erste Schritte der Krankheitsbewältigung
Rückkehr in das normale LebenFrage nach beruflicher Leistungsfähigkeit
Schutz der therapeutischen Institutionen nicht mehr vorhanden
Veränderung von Zielen und Prioritäten
Rezidiv oder MetastasierungEnttäuschung
Viel Kraft nötig, um neuen Mut und neue Hoffnung zu entwickeln
Palliative PhaseSchwer zu akzeptieren
Lebensqualität statt nur Lebensverlängerung
Psych. Betreuung der ganzen Familie

Phasen der Krankheitsbewältigung (3)

Phase 1: Krise

  • Ausgelöst durch Diagnose
  • Schock, Verleugnung
  • Nicht-wahr-haben-wollen

Phase 2: Stabilisierung

  • Erste Vertrautheit mit der Erkrankung
  • Versuche, wie vor der Krankheit zu leben
  • „Warum ich?“
  • „Verhandeln“

Phase 3: Resolution

  • Erkennen des Krankheitsmusters
  • Veränderung des Selbst

Phase 4: Integration

  • Auseinandersetzung mit der Erkrankung
  • Integration in das Leben
  • Akzeptanz

In der 1. Phase, die mit Schock und Krise assoziiert wird, gilt es zunächst, den Schockzustand zu überwinden, um wieder aufnahme – und handlungsfähig zu werden. Hier können frühe Gesprächsangebote und Psychoedukation hilfreich sein. Verleugnung bzw. das „Nicht-wahr-haben-wollen“ ist gerade am Anfang eine Schutzfunktion der Seele und sollte zunächst respektiert werden. Verleugnung wird erst dann schädlich, wenn sie über eine lange Zeit anhält und dadurch notwendige Therapien versäumt werden. Bis dahin gilt:

„Man sollte die Wahrheit dem anderen wie einen Mantel hinhalten, dass er hineinschlüpfen kann – nicht wie ein nasses Tuch um den Kopf schlagen.“  Max Frisch (2020)

Wir alle wollen verstehen und eine Erklärung haben, für das, was geschieht. Daher hadern viele Patienten mit ihrem Schicksal und suchen nach Ursachen: „Warum ich?“. Dieser Impuls ist verständlich und die Betroffenen sollten die Möglichkeit haben, ihren Gefühlen und Gedanken diesbezüglich Ausdruck zu verleihen. Es ist ein erster Versuch, die Krankheit in die eigene Biografie einzuordnen. Allerdings ist es auch wichtig, in Richtung „Akzeptanz“ zu arbeiten und eine Manifestation von Schuldgefühlen („ich werde bestraft, weil…“) zu vermeiden.

Auch das sogenannte „Verhandeln“ ist eine Bewältigungsstrategie, die oft am Beginn der Verarbeitung steht: „Wenn ich dies oder jenes tue (z. B. jetzt aufhöre zu rauchen), wird die Erkrankung weniger schlimm verlaufen.“ Auch hier sollte subjektiven Theorien Raum gegeben werden, aber mit Achtsamkeit auf eine zu intensive Entwicklung von Schuldgedanken.

Mit dem Erkennen von Krankheitsmustern, dem Kennenlernen von Abläufen und Routinen (z.B. Untersuchungen, Therapiezyklen) erfolgt im optimalen Fall eine Akzeptanz der Erkrankung und Integration in das eigene Leben. Hierbei kann eine tragfähige Therapeut-Patient-Beziehung unterstützend wirken (2).

Kontrovers diskutiert wird die Frage, ob die Art der Krankheitsbewältigung den Krankheitsverlauf beeinflusst. In zahlreichen Studien konnte festgestellt werden, dass eine aktive Krankheitsverarbeitung mit einer längeren Überlebenszeit einhergeht, während eine depressive Krankheitsverarbeitung mit einer ungünstigen Prognose in Zusammenhang steht. Allerdings ist die Befundlage immer noch uneinheitlich und es gibt auch widersprüchliche Befunde (4). Dies wiederum zeigt deutlich, dass es nicht eine allgemeingültige Bewältigungsstrategie gibt. Sondern, dass jeder individuell seinen Weg finden muss. Das kann in einem Fall bedeuten, Kampfgeist zu entwickeln und sich zu konfrontieren und in einem anderen Fall, zu verdrängen oder sich zuzugestehen, traurig oder depressiv zu sein (zumindest für eine Zeit).

Quellen:

  1. Zimmermann, T. & Heinrichs, N. (2015). Entwicklung von Krankheitsakzeptanz. In W. Rief & P. Henningsen (Hrsg.), Psychosomatik und Verhaltensmedizin (S. 353-359). Stuttgart: Schattauer.
  2. Diegelmann, C., Isermann, M. & Zimmermann, T. (2020). Therapie-Tools Psychoonkologie. Julius Beltz GmbH & Co. KG (Verlag)
  3. Fennell, P.A. (2003). Managing chronic illness using the Four-Phase Treatment Approach: A mental health professional`s guide to helping chronically ill people. Chichester: John Wiley & Sons.
  4. Faller, H. (2001). Krankheitsbewältigung und Überlebenszeit bei Krebskranken. Literaturübersicht und Ergebnisse einer Untersuchung mit Lungenkrebspatienten. Psychotherapeut 2001. 46:20-35. Springer Verlag.

Die Bedeutung von Sport bei einer Krebserkrankung

Die Wirkung von körperlicher Aktivität bei einer Krebserkrankung wurde inzwischen in zahlreichen Studien untersucht. Aktive Bewegung kann die Lebensqualität von Krebspatienten verbessern – unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung.

Die Diagnose Krebs geht zunächst meist mit Angst und Verunsicherung einher. Sport ist nachvollziehbarerweise nicht das, woran man in diesem Moment zuerst denkt. Dazu kommen dann Fragen, ob jegliche Art von Belastung für den Körper gut ist oder ob diese die Erkrankung vielleicht sogar verschlimmert. Diese Befürchtungen sind unbegründet, denn in den Untersuchungen der letzten Jahre hat sich sehr deutlich gezeigt, dass durch regelmäßiges Training therapiebedingte Nebenwirkungen abnehmen, die Mortalität sinkt und auch Rezidiven vorgebeugt werden kann. Es wird vermutet, dass die erhöhte Durchblutung aller Bereiche des Körpers und zusätzlich der erhöhte Energieverbrauch während der Bewegung in den Zellen für diese Wirkungen maßgeblich verantwortlich sind.

Einfluss körperlicher Aktivität auf die Prävention

Körperliche Belastungen wie beispielsweise Sport besitzen die einzigartige Fähigkeit, alle Organsysteme unseres Körpers (Skelett, Muskulatur, Gefäßsystem, Immunsystem, Nervensystem, Hormonsystem und den Nährstoffgehalt des Blutes) in einer koordinierten Weise zu verändern. Dadurch stellt Sport eine extrem wirkungsvolle Möglichkeit dar, den Verlauf von komplexen Erkrankungen wie Krebs zu beeinflussen.

Unsere heutige Lebensweise hat zu einem großen Ungleichgewicht in diesem System geführt, welches auf körperliche Arbeit und Anstrengung optimiert ist. Selbst Menschen, die regelmäßig Sport treiben, erreichen heute nur noch selten das Ausmaß an täglicher körperlicher Anstrengung, welches für unsere Vorfahren üblich war. Bewegungsmangel ist zu einem bedeutenden Risikofaktor für die Entstehung von Krebserkrankungen geworden (1).

Bis zum heutigen Zeitpunkt wurden bereits ca. 700 bewegungstherapeutische Interventionsstudien mit insgesamt über 50 000 Patienten und Patientinnen durchgeführt. Dabei zeigte sich hinsichtlich der Prävention, dass sportliche Aktivität das Risiko an bestimmten Krebserkrankungen zu erkranken deutlich senken kann (2):

Das Risiko an Dickdarmkrebs zu erkranken, kann durch körperliche Aktivität um bis zu 25 % gesenkt werden, bei Brust – und Prostatakrebs sind es zwischen 20 – 30 % (3). 

Fachleute gehen zudem davon aus, dass Sport und Bewegung auch bei den folgenden Tumorarten risikosenkend wirkt: Nierenkrebs, Blasenkrebs, Speiseröhrenkrebs, Magenkrebs.

Einfluss körperlicher Aktivität auf Therapie-Nebenwirkungen

Im Jahr 2010 publizierte das American College of Sports Medicine (ACSM) ein Review, das 85 randomisierte Studien beinhaltete und zu dem Schluss kam, dass Bewegung und Sport sicher und ohne Nachteil sowohl in der adjuvanten Therapiesituation als auch nach abgeschlossener Therapie durchgeführt werden können (4). Krankheits- und therapiebedingte unerwünschte Wirkungen können durch Sport- und Bewegungstherapie gemindert und die Wirkung der medizinischen Therapie verbessert werden.

Positive Effekte hat die Bewegungstherapie auf:

  • Kardiotoxizität bestimmter Krebsmedikamente (z.B. bestimmter Chemotherapien), die zu irreversiblen Schäden am Herzmuskel führen können. Durch körperliches Training können kardiovaskuläre Spätfolgen möglicherweise reduziert werden.
  • Polyneuropathie – diese tritt oft als unerwünschte Wirkung bestimmter Chemotherapeutika auf und äußert sich durch Schmerzen, Kribbeln, Missempfindungen oder Taubheitsgefühle, an zum Beispiel den Händen oder den Füßen. Dadurch werden Greif-, Tast- und Gangabläufe beeinträchtigt und die Betroffenen stark in der Ausübung alltäglicher Bewegungsformen eingeschränkt. In Studien konnten im Rahmen einer zielgerichteten Bewegungstherapie die Beschwerden durch sensomotorische Übungen gelindert und neurologische Parameter verbessert werden (12).
  • Knochengesundheit und Knochendichte – diese können durch Inaktivität und die medizinischen Therapien stark beeinträchtigt sein. Wie auch bei gesunden Sportlern bieten sich körperliche Aktivitäten mit Impact an (z. B. Sprünge und Vibrationstraining), um den Knochenstoffwechsel anzuregen. Untersuchungen mit Krebspatienten deuten auf eine Wirksamkeit eines solchen Impact-Trainings bei unter anderem Krebspatienten unter Antihormontherapie hin (13). Viele Patienten können aufgrund stark reduzierter Leistungsfähigkeit, Frakturgefährdungen oder Motivationsbarrieren keine Interventionen mit hohem Impact durchführen. Studien zeigen jedoch ebenfalls Wirksamkeiten eines Ausdauer- und Krafttrainings, das an den allgemeinen Bewegungsempfehlungen für Erwachsene orientiert ist (14).
  • Aus psychosozialer Sicht im Hinblick auf Sport am besten untersucht ist die Auswirkung auf die Lebensqualität. Dabei zeigen verschiedene Reviews und Metaanalysen, dass die Bewegungstherapie ein wirksamer Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität während und nach der onkologischen Therapie ist (8, 9).

Einfluss körperlicher Aktivität auf Fatigue

Tumor-assoziierte Fatigue ist durch starke Müdigkeit und Erschöpfung charakterisiert, die sich durch Schonung und Ausruhen nicht bessern. Die Bewegungstherapie hat bei hoher Compliance durch die Patienten das Potenzial, die Fatigue zu reduzieren, und scheint nach dem aktuellen Stand der Forschung gemeinsam mit psychologischen Interventionen signifikant wirksamer zu sein als existierende medikamentöse Therapien. Sowohl Ausdauer- als auch Krafttraining haben sich in Studien als geeignete Trainingsformen erwiesen sowie eine Häufigkeit von 2–3 supervidierten Trainingseinheiten pro Woche (10,11).

Einfluss körperlicher Aktivität auf Prognose und Rezidiv-Risiko

Patienten, die sich regelmäßig bewegen, haben eine signifikant bessere Tumorprognose. Dies ist das Ergebnis mehrerer Beobachtungsstudien (1). Darüber hinaus konnten verschiedene Interventionsstudien einen positiven Effekt auf die Lebensqualität der Patienten zeigen.

Bezogen auf einzelne Entitäten zeigt die Studienklage bisher:

Bei Frauen, die von Brustkrebs betroffen sind, haben sportlich aktive Patientinnen eine wesentlich bessere Prognose als weniger aktive oder inaktive Frauen (1). Die Nurses‘ Health Study, die eine Kohorte von 2987 Brustkrebspatientinnen im Stadium I–IIIa untersuchte, zeigte, dass Frauen, die mehr als 3 h/Woche spazieren gingen, gegenüber Frauen die weniger aktiv waren (< 1 h moderate Aktivität/Woche), eine um 50 % reduzierte Tumorsterblichkeit aufwiesen (5). Laut Schmitz et al. profitieren Brustkrebspatientinnen mit einem Lymphödem des Arms im Hinblick auf den Verlauf des Ödems und die Häufigkeit von Lymphödemkomplikationen von einer medizinischen Trainingstherapie (6).

Wie viel körperliche Aktivität ist notwendig?

Zwischen der Menge an Sport und der Anti-Krebs-Wirkung scheint es in den meisten Fällen einen direkten Zusammenhang zu geben: Je mehr Bewegung, desto größer der Effekt.  Dennoch ist auch Vorsicht vor Überlastung geboten, es gilt ein moderates, an die individuellen Möglichkeiten der jeweiligen Person angepasstes Trainingsprogramm zu entwerfen. Die Deutsche Krebshilfe rät zu einem Bewegungspensum von dreimal die Woche jeweils 60 Minuten. Alternativ können Sie auch fünf- bis sechsmal 15 bis 30 Minuten Bewegung einplanen. Empfehlenswert ist es, sich bei der Erstellung und Ausübung des Sportprogramms fachlich beraten zu lassen.  Initiativen wie OnkoAktiv setzen sich für ein individualisiertes, gut erreichbares und patientengerechtes Netz an Sportangeboten ein. Ziel ist eine verbesserte Behandlung durch das Abstimmen des bewegungstherapeutischen Ansatzes auf die unterschiedlichen onkologischen Krankheitsbilder (7).

Welche Sportart wird für Krebspatienten empfohlen?

Als besonders vorteilhaft hat sich bisher ein kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining erwiesen, mit zusätzlichen Elementen zur Schulung von Flexibilität und Koordination.

Ausdauertraining bedeutet für Krebspatient*innen, sich einem hohen Reiz auszusetzen um dauerhaft die Leistungsfähigkeit zu steigern. Auf Organe, Hormon- und Nervensystem sowie auch die Psyche, das Atmungssystem und das Herz-Kreislauf-System hat Ausdauersport eine positive Auswirkung.  Zu den beliebtesten Ausdauersportarten zählen Joggen, Walken, Radfahren, Schwimmen und Nordic Walking. Die Belastungsstärke Ihres Trainings stellen Sie über Ihr subjektives Befinden fest. Damit können Sie auch das Training gezielt steuern.

Krafttraining kommt insbesondere dann zum Einsatz, wenn durch die Krebstherapie die Muskelmasse wesentlich zurückgegangen ist. Die geschwächten Muskeln sollen wieder aufgebaut und der Alltag mühelos bewältigt werden.

Die ersten Auswirkungen des Krafttrainings lassen nicht lange auf sich warten. Bereits nach wenigen Einheiten verbessert sich die Kraft, nach einigen Wochen vergrößern sich die Muskelfasern. Das Krafttraining beugt Verletzungen vor, denn gut funktionierende Muskulatur wirkt wie ein Schutzpanzer.

Koordinationstraining spielt vor allem in der akuten, aber auch in Rehabilitationsphase eine maßgebliche Rolle. Bei dieser Art von Training besteht keine Verletzungsgefahr und es ist  leicht umsetzbar. Jeder Bewegungsablauf besteht aus der Koordination zwischen verschiedenen Muskeln. Bereits am Tag nach einer Operation sind Koordinationsübungen möglich.

Fazit

Patienten mit einer Krebserkrankung profitieren erheblich von sportlicher Aktivität. Bewegung wirkt unangenehmen Begleiterscheinungen der Krebstherapie entgegen, verringert die Rückfallrate und kann sogar die Überlebenschancen verbessern. Es ist nie zu spät damit anzufangen. Selbst wenn Sie vor Ihrer Diagnose kaum oder gar keinen Sport getrieben haben, können Sie sich dazu jetzt entschließen. Auch oder gerade wenn Ihr Körper durch Ihre Krankheit geschwächt ist (15).

Quellen:

(1) Seifart, U.. Krebs und Lebensstil: Was hilft wirklich? Der Onkologe. February 2016 22(2):127-136; Springer Berlin Heidelberg Language: German, Datenbank: Springer Nature Journals

(2) Götte, Miriam; Kesting, Sabine. Sport als Prävention und Therapie bei Krebs. In Sportwissenschaft. 2022 :351-358 Language: German. DOI: 10.1016/B978-3-437-23461-3.00032-8, Datenbank: ScienceDirect

(3) Leitzmann M, Powers H, Anderson AS et al. European Code against Cancer 4th Edition: Physical activity an cancer. Cancer Epidemiol, 2015; 39 (1): 46-55.

(4) Schmitz KH, Courneya KS, Matthews C et al (2010) American College of Sports Medicine roundtable on exercise guidelines for cancer survivors. Med Sci Sports Exerc 42:1409–1426

(5) Holmes MD, Chen WY, Feskanich D et al (2005) Physical activity and survival after breast cancer diagnosis. JAMA 293:2479–2486

(6) Schmitz KH, Ahmed RL, Troxel A et al (2009) Weight lifting in women with breast-cancer-related lymphedema. N Engl J Med 361:664–673

(7) Deutsche Krebshilfe: Bewegung und Sport bei Krebs. Reihe Blaue Rategeber, Stand April 2021. Abrufbar unter: https://www.krebshilfe.de/infomaterial/Blaue_Ratgeber/Bewegung-und-Sport-bei-Krebs_BlaueRatgeber_DeutscheKrebshilfe.pdf

(8) Kalter J, Verdonck-de Leeuw IM, Sweegers MG et al. Effects and moderators of psychosocial interventions on quality of life, and emotional and social function in patients with cancer: An individual patient data meta-analysis of 22 RCTs. Psychooncology, 2018; 27(4): 1150–1161.

(9) Mishra SI, Scherer RW, Snyder C et al. Exercise interventions on health-related quality of life for people with cancer during active treatment. Cochrane Database Syst Rev, 2012; (8): CD008465.

(10) Mustian KM, Alfano CM, Heckler CH et al. Comparison of Pharmaceutical, Psychological, and Exercise Treatments for Cancer-Related Fatigue. A Meta-analysis. JAMA Oncol. 2017; 3(7): 961–968.

(11) van Vulpen JK, Sweegers MG, Peeters PHM et al. Moderators of Exercise Effects on Cancer-Related Fatigue: A Meta-analysis of Individual Patient Data. Med Sci Sports Exerc, 2020 Feb; 52(2): 303–314.

(12) Kneis S, Wehrle A, Müller J et al. It’s never too late – balance and endurance training improves functional performance, quality of life, and alleviates neuropathic symptoms in cancer survivors suffering from chemotherapy-induced peripheral neuropathy: results of a randomized controlled trial. BMC Cancer, 2019; 19(1): 414.

(13) Cormie P, Zopf EM. Exercise medicine for the management of androgen deprivation therapy-related side effects in prostate cancer. Urol Oncol, 2020; 38(2): 62–70.

(14) Dieli-Conwright CM, Courneya KS, Denmark-Wahnefried W et al. Aerobic and resistance exercise improves physical fitness, bone health, and quality of life in overweight and obese breast cancer survivors: a randomized controlled trial. Breast Cancer Res, 2018; 20(1): 124.

(15) https://www.krebs-und-ich.de/ratgeber/bewegung/krebs-und-sport/ (Stand 03.04.2024)

Musik – und Kunsttherapie spielen bei psychoonkologischen Interventionen eine wichtige Rolle. Eine Krebserkrankung bedeutet für Patienten und Angehörige meist durch eine Zeit voller Ängste und Zukunftssorgen zu gehen. Die Diagnose ändert das gewohnte Leben von einem Moment auf den anderen. Neben den medizinischen Verfahren wie Operation, Chemotherapie und Bestrahlung, die den Tumor bekämpfen, benötigen viele Patienten auch psychosoziale Unterstützung, um die Situation zu bewältigen.

Die Kunsttherapie fördert mit dem kreativen Schaffen unbewusstes Potential zu Tage, welches den Krankheitsverarbeitungsprozess unterstützen und zu einer Stabilisierung beitragen kann. Dabei ist die Maltherapie, wie die Kunsttherapie auch bezeichnet wird (wobei Kunsttherapie nicht nur Malen sein muss), in erster Linie ressourcenorientiert. D.h. sie fokussiert sich nicht auf Probleme, sondern auf Stärken des Patienten und auf Lösungen.

Der kreative Prozess kann alle Phasen einer Krebserkrankung begleiten – angefangen vom Schock der Diagnose, über das Leiden und Hoffen während der Therapien, durch die Nachsorge, bis hin zur Vorbereitung auf das Lebensende. Daher haben Musik – und Kunsttherapie auch auf der Palliativstation oder im Hospiz große Bedeutung.

Wichtig ist, gerade am Beginn der gemeinsamen Arbeit, eine Atmosphäre zu schaffen, in der der Patient sich geborgen fühlt und  dabei auf individuelle Bedürfnisse einzugehen. Auch Angehörige können in diesen Prozess eingebunden werden. Da bei vielen Menschen oft eine Hemmschwelle besteht, wenn es um Malen oder Zeichnen geht, sollte verdeutlicht werden, dass keinerlei künstlerische Fähigkeiten erwartet werden. Es ist lediglich eine weitere Möglichkeit, sich auszudrücken und mit spontanen Empfindungen zu experimentieren. Oft findet sich dabei ein Zugang zu verborgenen Gefühlen, die sich in Worten noch gar nicht ausdrücken lassen. „Innere Bilder“ werden sichtbar und ermöglichen, in die Auseinandersetzung und Bewältigung zu gehen.

Das Malen wird auch oft als ein Ventil erlebt und kann zu mehr Ruhe und Gelassenheit verhelfen. Wünsche, Sehnsüchte, aber auch Trauer und Schmerz können dargestellt werden. Wobei Bilder oft viel eindrucksvoller sein können als das gesprochene Wort. So kann ein Bild auch ein Vermittler zwischen dem Betroffenen und seiner Umwelt sein. Da, wo Kommunikation an ihre Grenzen kommt oder nicht mehr möglich ist, können Bilder einen neuen Anstoß geben, wieder ins Gespräch zu kommen. In der Kunsttherapie erleben sich Patienten – im Vergleich zu den medizinischen Therapien, denen sie eher „ausgeliefert“ sind – wieder als „handelnde“ Persönlichkeiten. Sie sind in der Lage, selbst etwas zu bewegen und somit auch wieder mehr Kontrolle über die Situation zu erlangen. Durch die Gesprächsanteile in der Kunsttherapie (wobei hier Kunsttherapeuten auch speziell für die psychoonkologische und palliative Begleitung ausgebildet sein sollten) können sich neue Perspektiven und Lösungsansätze ergeben.

Wie bereits angesprochen, kann die Kunsttherapie auch am Ende des Lebens eine wichtige Rolle spielen. Gerade in dieser Zeit verspüren die Patienten oft noch das Bedürfnis, Dinge zu klären oder retrospektiv zu beleuchten. In der Nähe des Todes werden oft die tiefen Ängste und Konflikte sichtbar, denen man ein Leben lang versucht hat zu entfliehen. Das Malen kann auch hier einen Zugang zum inneren, teils unbewussten Erleben schaffen. Bisher Unausgesprochenes wird sichtbar und verstehbar. Auch ein Aufgreifen traumatischer Erfahrungen (Kindheitstraumata, Kriegstraumata) ist in diesem Kontext gut möglich und ein Zusammenhang zwischen frühen und aktuellen Ängsten kann hergestellt werden.  Es ist oft faszinierend, was in dieser letzten Lebensphase noch an Reifung und Weiterentwicklung möglich ist.

Die Bilder im Artikel stammen von einer Patientin mit met. Magenkarzinom – entstanden über mehrere Monate auf der onkologischen Station, begleitend zur Chemotherapie.

Mit Kindern über Krebs sprechen

Eine Krebserkrankung bedeutet nicht nur für die Betroffenen einen Einschnitt in das bisherige Leben, sondern betrifft immer die gesamte Familie.  Forschungsergebnisse zeigen, dass die Krebserkrankung eines Elternteils die Entwicklung eines Kindes nachhaltig beeinflussen kann. Wenn jedoch offen über die Erkrankung gesprochen wird, Kinder Fragen stellen und Gefühle zulassen dürfen, dann kommen sie fast immer besser mit der Situation zurecht und können sogar gestärkt aus dieser Krisensituation hervorgehen.

Der erste Impuls, den Eltern oder Großeltern oft haben ist, die Kinder zu schonen und die Krankheit nicht zu thematisieren. Kinder reagieren jedoch sehr sensibel auf atmosphärische Veränderungen in der Familie und spüren frühzeitig, dass etwas nicht stimmt. Diese Veränderungen können sie allerdings nicht einordnen, wenn die Ursache nicht thematisiert wird, und sie bleiben mit ihren Ängsten allein. Dabei ist das, was in der Fantasie entsteht, oft schlimmer als die Realität. Das veränderte Verhalten der Eltern – gedrückte Stimmung, Gereiztheit – beziehen Kinder dann  auf sich und geben sich möglicherweise die Schuld dafür. Daher ist es sehr wichtig, Kinder von Anfang an in das Geschehen einzubeziehen und die neue Situation zu erklären. Kinder können mit der Wahrheit in der Regel oft besser umgehen, als Erwachsene es ihnen zutrauen. Natürlich sollten die Gespräche behutsam erfolgen und an das Alter des Kindes angepasst sein. Trotz der großen eigenen Belastung ist es wichtig, für die Ängste und Sorgen der Kinder aufmerksam zu bleiben. Dabei ist es hilfreich, für stabile Rahmenbedingungen zu sorgen und ein möglichst positives Umfeld zu schaffen (beständige Bezugspersonen, nicht zu viele Veränderungen auf einmal, Zulassen kindlicher Gefühle).

Die Gespräche sollten schrittweise erfolgen. Kinder können nicht zu viele Informationen auf einmal verarbeiten. Dinge, die erst zu einem späteren Zeitpunkt relevant werden, sollten auch erst später vermittelt werden. Benutzen Sie einfache Worte und kurze Sätze und fragen Sie nach, was das Kind verstanden hat. Bereits kleine Kinder können einfache und bildhafte Erklärungen über die Krebserkrankung verstehen.

Oft assoziieren Kinder den Begriff Krebs zunächst mit dem Tier. Hier kann man ansetzen und erklären, dass es sich nicht um das Tier, sondern um eine Krankheit handelt, von der es viele verschiedene Formen gibt und die ganz unterschiedlich verlaufen kann. Dies ist z. B. wichtig, wenn es im Umfeld einen schweren oder tödlichen Verlauf gegeben haben sollte und das Kind dies miterlebt hat.

Mögliche Aussagen wären:

„Mama hat einen Knoten in der Brust. Dieser Knoten heißt Krebs und macht sie krank. Deshalb muss Mama ins Krankenhaus. Dort wird der Knoten entfernt.“

Eine andere Möglichkeit Chemotherapie (bei kleineren Kindern) zu erklären:

„Papa bekommt im Krankenhaus einen Zaubertrank. Der hilft ihm, den Krebs zu besiegen. Der Zaubertrank macht aber auch müde, deshalb muss Papa sich ausruhen.“

Antworten Sie immer ehrlich auf Fragen des Kindes und geben Sie auch zu, wenn Sie etwas nicht wissen. Vor allem aber, machen Sie keine Versprechungen (z. B. Mama wird wieder ganz gesund), wenn Sie sich nicht wirklich sicher sind. Wenn das Versprochene so nicht eintritt, wird das Vertrauen der Kinder langfristig erschüttert.

Auch Kinder, die gut aufgeklärt sind, suchen die Schuld für die Erkrankung oft bei sich: weil ich so oft getrödelt oder mein Zimmer nicht aufgeräumt habe, musste Mama sich so viel ärgern und ist deshalb krank geworden. Daher sprechen Sie Schuldgefühle an und entkräften Sie diese. Dazu gehört auch, die eigenen Gefühle (Traurigkeit, Wut) zu erklären, damit das Kind diese nicht auf sich bezieht.

Mit der Behandlung der Krebserkrankung sind meist häufige stationäre Aufenthalte verbunden. Auch hier ist im Vorfeld wichtig, diese Abwesenheiten den Kindern zu erklären. Hilfreich sind feste Bezugspersonen in dieser Zeit und beispielsweise Rituale, wie Telefonate zu festen Zeiten oder Besuche im Krankenhaus. Allerdings sollten Kinder selbst entscheiden dürfen, ob sie zu Besuch in die Klinik gehen möchten und nicht gezwungen werden. Bei Ablehnung ist es jedoch sinnvoll, den Grund zu erfragen und ggf. Ängste, die mit dem Krankenhaus verbunden sind, auszuräumen.

Thematisiert werden sollten auch zu erwartende Nebenwirkungen, wie Erschöpfung, Übelkeit oder ganz besonders Haarausfall. Es kann recht schockierend für Kinder sein, Mutter oder Vater plötzlich mit Glatze zu sehen. Deshalb sollte darauf vorbereitet werden. Ebenso wie auf Veränderungen im Alltag, damit ein Kind es nicht als Desinteresse wertet, wenn Papa z. B. nicht mehr mit zum Fußballtraining fahren kann oder andere gewohnte Aktivitäten nicht stattfinden.

So wichtig wie Gespräche sind, so sehr können sie manchmal auch überfordern. Deshalb ist es sinnvoll, auch andere Bewältigungsstrategien zu stärken, die Kindern helfen, ihre Gefühle auszudrücken. Je nach Alter der Kinder gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, z. B.: Sorgenpüppchen oder Sorgenkisten gestalten, Bilder, Poster oder Tagebuch gestalten, gemeinsam Musik machen, Kochen, Backen u. v. m.

Schule und Kindergarten sollten bei einer Krebserkrankung der Eltern ebenfalls informiert werden. So können Erzieher oder Lehrer evtl. verändertes Verhalten des Kindes entsprechend einordnen und damit umgehen. Allerdings sollte ein Kind selbst entscheiden dürfen, ob es von Erziehern oder Lehrern auf das Thema angesprochen werden möchte und ob Mitschüler informiert werden sollen. Vielen Kindern ist dies eher unangenehm.

Grundsätzlich gilt, dass man eine solch belastende Zeit nicht allein bewältigen muss, sondern auch professionelle Hilfe in Anspruch nehmen kann. Es gibt zahlreiche Beratungsangebote. Hilfreiche Links dazu finden Sie auch auf meiner Webseite.

Wenn eine unheilbare Erkrankung vorliegt und durch diese die Lebenszeit verkürzt sein wird, dann fällt oft der Begriff „palliativ“. Dies bedeutet, in der Behandlung geht es nicht mehr um die Heilung der Erkrankung, sondern darum, Symptome (z. B. Luftnot, Ernährungsprobleme, Schmerzen, Angst) zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Was jemand als Lebensqualität empfindet, ist individuell sehr verschieden. Dafür ist es wichtig, den Patienten ganzheitlich zu betrachten, sich nicht nur auf die körperlichen Symptome zu fokussieren, sondern auch Körper, Geist und Seele als Ganzes zu berücksichtigen, sowie die Biografie des Menschen und sein soziales Umfeld. Der Begriff „palliativ“ leitet sich aus dem lateinischen Wort „pallium“ ab und bedeutet sinngemäß „mit einem Mantel umhüllen“.

Die Palliativstation ist eine spezialisierte Abteilung innerhalb eines Krankenhauses. Hauptziel der Behandlung auf der Palliativstation ist die Symptomkontrolle. Zur physischen Versorgung kommt dann die psychosoziale Unterstützung. Dafür arbeitet ein multiprofessionelles Team aus Ärzten, Pflegekräften, Sozialarbeitern, Psychologen, Physio- und Ergotherapeuten, Kunst- und Musiktherapeuten und Seelsorge Hand in Hand, um auch den emotionalen Bedürfnissen der Patienten gerecht zu werden.

Der Kommunikation kommt große Bedeutung zu, denn gerade bei der Entscheidungsfindung, z. B. für oder gegen weitere Therapie oder wie die zukünftige Versorgung aussehen soll, benötigen Patienten und Angehörige oft Unterstützung. Solche Gespräche benötigen Zeit, die auf einer solchen Station dafür auch vorgesehen ist. Integraler Bestandteil der palliativen Versorgung ist die Angehörigenarbeit. Familienmitglieder werden aktiv in den Behandlungsprozess einbezogen und erhalten ebenfalls Unterstützung in dieser emotional sehr belastenden Zeit. Das ultimative Ziel ist, die verbleibende Lebenszeit der Patienten so angenehm wie möglich zu gestalten und dabei die Autonomie und die Würde der Patienten zu wahren.

Die Aussage, die oft getroffen wird, dass die Palliativstation „die Sterbestation“ sei, ist nicht korrekt. Natürlich kommt es vor, dass Patienten auf der Palliativstation versterben, aufgrund ihrer weit fortgeschrittenen Erkrankung. Aber die Mehrheit der Patienten wird von der Palliativstation wieder nach Hause entlassen oder zur weiteren Versorgung in ein Hospiz oder Pflegeheim. Die maximale Dauer des Aufenthaltes auf der Palliativstation beträgt ca. 3 Wochen.

Ein Hospiz ist eine Einrichtung, die darauf spezialisiert ist, Menschen in ihrer letzten Lebensphase zu begleiten. Bei einer Aufnahme in ein Hospiz ist die Wahrscheinlichkeit, dort auch zu versterben, sehr groß. Im Gegensatz zur Palliativstation, die Teil eines Krankenhauses ist, handelt es sich bei einem Hospiz um eine eigenständige Einrichtung. Das Hauptanliegen besteht hier darin, Sterbenden und ihren Angehörigen eine möglichst hohe Lebensqualität in der verbleibenden Zeit zu ermöglichen.

Dabei steht nicht mehr die medizinische Behandlung im Vordergrund, sondern die ganzheitliche Betreuung des Menschen. Ähnlich wie auf der Palliativstation gibt es auch hier ein multidisziplinäres Team (Ärzte, speziell ausgebildete Pflegekräfte, Seelsorger, ehrenamtliche Mitarbeiter). Auch im Hospiz werden die Angehörigen eng in die Betreuung eingebunden. Es wird versucht, den Abschiedsprozess für alle Beteiligten so erträglich wie möglich zu gestalten.

Großer Wert wird auf den Erhalt von Selbstbestimmung und Würde der Gäste (im Hospiz wird nicht  von Patienten gesprochen) gelegt. Der Tod wird als Teil des Lebens akzeptiert und begleitet.

Wann ist die Aufnahme auf eine Palliativstation oder in ein Hospiz möglich?

Die Empfehlung für die Palliativstation wird meist von ärztlicher Seite ausgesprochen. Kriterien dafür sind eine unheilbare, weit fortgeschrittene Erkrankung mit einer starken Symptomlast, die so zu Hause (oder im Pflegeheim) nicht behandelt werden kann. Dazu zählen unter anderem Krebs, Herz- und Lungenerkrankungen, Leber- und Nierenerkrankungen, Parkinson, Mukoviszidose, schwere Demenzerkrankungen und AIDS.

Die Empfehlung für die Aufnahme in ein Hospiz wird ebenfalls von einem Arzt ausgesprochen. Es wird eine sogenannte „Notwendigkeitsbescheinigung“ ausgestellt, für Patienten mit einer unheilbaren Erkrankung in fortgeschrittenem Stadium, die voraussichtlich innerhalb der nächsten Wochen bis Monate zum Tod führen wird. Diese Verordnung wird von der zuständigen Krankenkasse geprüft und dann befürwortet oder abgelehnt. Der Erkrankte bzw. sein Vorsorgebevollmächtigter müssen der Aufnahme natürlich zustimmen. Nach der Zusage der Krankenkasse muss der Patient im Hospiz angemeldet werden (dies erfolgt in der Regel durch den Hausarzt, die Klinik, das SAPV-Team oder den Pflegedienst). Danach kann die Aufnahme erfolgen, sobald ein Bett frei ist.

Fazit:

Palliativstationen und Hospize verfolgen beide den Ansatz, Menschen mit einer unheilbaren, weit fortgeschrittenen Erkrankung in der ihnen verbleibenden Zeit, so viel Lebensqualität wie möglich zu gewähren. Während das Ziel der Palliativstation darin besteht, die Patienten möglichst stabilisiert wieder zu entlassen, können diese in einem Hospiz die verbleibende Lebenszeit bis zu ihrem Tod verbringen.

Zu den bekanntesten und am häufigsten bei Tumorerkrankungen eingesetzten pflanzlichen Arzneimitteln gehört die Mistel. Sie ist eine der wissenschaftlich am besten untersuchten Heilpflanzen. Aus den letzten Jahrzehnten liegen zahlreiche klinische Studien, Metaanalysen und Reviews vor, mit einem Evidenzlevel von 1a, dem höchsten erreichbaren Level an wissenschaftlichen Studien. Die Misteltherapie findet ihre Anwendung hauptsächlich in der Integrativen Onkologie, indem sie die Nebenwirkungen der Krebstherapie vermindert. Sie kann sowohl in der adjuvanten, als auch in der palliativen Behandlung eingesetzt werden, in Kombination mit Chemotherapie, antihormoneller Therapie oder auch in der Nachsorge.

Eine aktuelle Übersicht zu wissenschaftlichen Untersuchungen in der klinischen Anwendung der Misteltherapie finden Sie unter:

https://www.mistel-therapie.de/wissenschaftliche-informationen

https://www.mistel-therapie.de/wissenschaftliche-informationen/klinische-evidenz

Die Mistel als Heilpflanze hat eine lange Tradition. In der anthroposophischen Medizin wird sie als Wirkstoff gegen Krebserkrankungen seit ca. 100 Jahren eingesetzt. Die Pflanze ist ein Halbparasit, bildet zwar Chlorophyll, kann aber trotzdem nicht auf der Erde wachsen. Sie ist auf einen Wirt (Baum) angewiesen, aus dem sie ihre Nährstoffe zieht. Der Mistelbusch ist immergrün. Die Blätter welken nicht und die Pflanze blüht und fruchtet das ganze Jahr. Die Inhaltsstoffe der Mistel sind sehr gut untersucht. Dazu zählen die Mistellektine, die in dieser Form nur in der Mistelpflanze vorkommen. Der Lektingehalt ist im Winter am höchsten.  Die Anteile von Lektinen schwanken auch je nach Wirtsbaum und Jahreszeit. Sehr lektinreich sind Eichen – und Eschenmisteln. Dagegen haben Kiefernmisteln einen geringen Lektingehalt. Die Lektine verfügen über eine zellzerstörende Wirkung, die zu Beginn einer Therapie im Vordergrund steht. Im späteren Verlauf spielt dann eher die immunmodulierende Wirkung eine Rolle. Ein zweiter wichtiger Inhaltsstoff sind die Viscotoxine. Dies sind eiweißhaltige Verbindungen, die in ihrer chemischen Struktur Schlangengiften ähneln. Sie haben eine zelltoxische Wirkung, können darüber hinaus aber wie die Lektine auch das Immunsystem stimulieren.  Dabei steigern sie vor allem die Aktivität der zytotoxischen T-Zellen und der Granulozyten. Auch hier schwankt der Anteil an Viscotoxinen wieder je nach Wirtsbaum. Im Sommer ist der Viscotoxinanteil am höchsten. Je nachdem auf welchem Wirtsbaum eine Mistel gewachsen ist, bilden sich verschiedene Kompositionen von Inhaltsstoffen. Die Entscheidung für den jeweiligen Wirtsbaum und die Applikationsfrequenz wird je nach Krankheitsbild und Therapiekonzept getroffen. In Deutschland bieten verschiedene Hersteller Präparate aus unterschiedlich gewonnenen Mistelextrakten an. Zu den in Deutschland zugelassenen anthroposophischen Mistelpräparaten zählen:  abnobaVISCUM, Helixor, Iscador und Iscucin.

Welche Empfehlungen gibt es nun aufgrund der Studienlage zum Einsatz der Misteltherapie?

Trotz der umfangreichen Forschung lässt sich die Frage der Wirksamkeit nicht zweifelsfrei beantworten. Die Misteltherapie ist inzwischen Bestandteil einiger onkologischer Leitlinien, z. B.:

https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/komplementaermedizin/.

Eine evidenzbasierte Empfehlung liegt vor für den therapeutischen Einsatz des Mistelgesamtextrakts (Viscum album L.) als subkutane Injektion zur Verbesserung der Lebensqualität bei Patienten mit soliden Tumoren. Positive Effekte bei Anwendung der Misteltherapie sind Linderung anhaltender Erschöpfung (Fatigue), Stärkung der Abwehrkräfte und Verbesserung von Stimmung und Wohlbefinden.

Keine statistisch signifikante Wirksamkeit zeigte sich bisher bei der Verlängerung der Gesamtlebenszeit durch die Anwendung der Misteltherapie. Zumindest ist die Datenlage dazu noch nicht ausreichend.

Patienten mit Leukämien, Lymphom, Nierenzellkarzinom oder malignem Melanom wird von Expertenseite von der Anwendung der Misteltherapie abgeraten.

Kann die Misteltherapie Nebenwirkungen verursachen?

Schwere unerwünschte Ereignisse nach Gabe der Mistelpräparate gibt es kaum. Zu den am häufigsten auftretenden Reaktionen gehören Hautirritationen an der Einstichstelle oder kurzzeitig grippeähnliche Symptome. Allergische Reaktionen sind sehr selten.

Zur Frage der Sicherheit ist zu sagen, dass die Verabreichung der Misteltherapie in die Hände eines erfahrenen Arztes gehört. Üblicherweise erfolgt die Anwendung 3 x wöchentlich (subkutan) und kann vom Patienten oder Angehörigen nach Anleitung selbst übernommen werden.  Nach vier Wochen wird meist eine Woche pausiert. Im zweiten Jahr wird die Pause auf zwei Wochen verlängert und ab dem dritten bis fünften Jahr reichen sogenannte Frühjahr – und Herbstkuren über einige Wochen.

Wird die Misteltherapie von den Krankenkassen übernommen?

Die Misteltherapie wird in der palliativen Tumortherapie, also wenn Patienten unter einer unheilbaren Krebserkrankung leiden und die Misteltherapie auf die Verbesserung der Lebensqualität abzielt, von der Krankenkasse übernommen. Hierfür würde der Arzt ein „rosa“ Kassenrezept ausstellen.

Zugelassen ist die Misteltherapie auch in der adjuvanten Tumorbehandlung, also in einem frühen Stadium der Erkrankung. Hier können gesetzliche und private Krankenkassen die Kosten übernehmen, müssen es aber nicht. In diesem Fall müssen Patienten dies selbst mit ihrer Krankenkasse verhandeln. Der Arzt würde hierfür ein „grünes“ Rezept ausstellen. Mistelpräparate sind apothekenpflichtig und somit auch ausschließlich in der Apotheke erhältlich.

Die Kosten für eine Misteltherapie liegen zwischen 80 und 120 Euro pro Monat.

Die Misteltherapie stellt keine Alternative zu den geprüften Standardverfahren dar, sondern kann lediglich begleitend zur eigentlichen Krebstherapie sinnvoll sein. Wenn eine Misteltherapie angewendet wird, dann sollten immer alle in die Behandlung einbezogenen Personen (z. B. Ärzte) darüber informiert sein.

In der psychoonkologischen Begleitung geht es nicht um Psychotherapie, sondern um Entlastung in einer hoch belastenden Situation, um unterstützende Gespräche, die Vermittlung wichtiger Informationen, mit dem Ziel wieder handlungsfähig zu werden. Die Psychoonkologie beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen körperlichen, psychischen und sozialen Einflüssen. Zu den körperlichen Einflüssen zählen die Symptomlast, die eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit oder auch Folgen der Therapie. Soziale Belastungen können finanzieller Art sein, der Verlust der Arbeit oder auch plötzliche Rollenveränderungen. Die psychischen Belastungen sind u. a. Kontrollverlust, existenzielle Angst, Spannungen im sozialen Umfeld, ein verändertes Körperbild, Verlust der Sexualität und die Angst vor dem Wiederauftreten der Erkrankung.

Psychoonkologen sind im Grundberuf meist Ärzte, Psychologen, Psychotherapeuten oder auch Sozialarbeiter, die auf die Begleitung von Tumorpatienten spezialisiert sind. Die Krebserkrankung selbst kann zu psychischen Belastungen führen, aber auch die Behandlung, die Kommunikation mit Angehörigen oder Behandlern. Eine Tumordiagnose belastet die ganze Familie und keiner ist wirklich darauf vorbereitet. Allein das Wort „Krebs“ kann sehr intensive emotionale Reaktionen auslösen.

Die Diagnose wirft zahlreiche Fragen auf: Wie werde ich die Behandlung vertragen? Wird es Nebenwirkungen geben?  Werde ich Schmerzen haben? Wie kann ich mit meiner Angst umgehen? Wie soll ich das meiner Familie erzählen? Werde ich wieder arbeiten können? Und vor allem – werde ich wieder gesund oder muss ich an dieser Erkrankung sterben?

Einerseits haben Patienten in dieser Situation einen großen Informationsbedarf. Andererseits werden sie oft von einer Informationsflut überrollt, die es zunächst zu sortieren gilt. Angst und der anfängliche Schock nach der Mitteilung der Diagnose machen es oft schwer, klar und rational zu denken und Entscheidungen zu treffen. Dann ist es gut, jemanden an der Seite zu haben, mit dem man die nächsten Schritte in Ruhe besprechen kann.

Eine Krebserkrankung bedeutet meist auch Verlust – Verlust der Unversehrtheit des Körpers, Verlust des Vertrauens in den Körper, Verlust der Selbstverständlichkeit von Gesundheit. Das bedeutet für die psychoonkologische Arbeit, gemeinsam Trauerarbeit zu bewältigen, das Abschiednehmen zu begleiten und dahin zu schauen, dass Veränderung und Akzeptanz zum Leben dazugehören.

Die Angst, die fast immer mit einer Krebserkrankung einhergeht, wird nie mehr so ganz verschwinden. Aber es ist möglich, den Umgang mit ihr zu erlernen und zu verhindern, dass die Angst sich verselbstständigt und so zu großen Einschränkungen in der Lebensqualität führt. Dabei kann Psychoonkologie helfen, z. B. durch Normalisierung dessen, was gerade ist, durch die Aktivierung von Ressourcen und die Stärkung der Resilienz (der psychischen Widerstandskraft) der Patienten.

Unterstützung kann aber auch erfolgen, in der Kommunikation mit Angehörigen, z. B. wenn es darum geht, Kindern die Erkrankung zu erklären oder in Gesprächen mit Ärzten, wenn  Therapieentscheidungen anstehen.

Grundsätzlich gibt es keine „richtige“ oder „falsche“ Art der Krankheitsbewältigung. So einzigartig wie jeder Mensch ist, ist auch seine Art, mit schwierigen Zeiten im Leben umzugehen. Psychoonkologie kann eine Krebserkrankung nicht heilen, aber sie kann dabei unterstützen, den für den Patienten individuell passenden Weg der Krankheitsbewältigung zu finden.